Heilige Johanna der Schlachthöfe, da ist dir aber so einiges widerfahren! In der Inszenierung aus Zürich von Sebastian Baumgarten wird der Versuch unternommen, die Brechtsche Kapitalismusanalyse insofern zu aktualisieren, als dass sie die Globalisierung des Kapitals nicht nur mitdenkt, sondern auch in Form von Figuren auf die Bühne bringen will. Baumgarten und das Züricher Ensemble scheitern mit diesem Versuch nicht nur kläglich, sondern reproduzieren im Laufe des Abends eine Vielzahl rassistischer Bilder und Zeichen. Im Rahmen meiner Bloggerei für das Theatertreffen habe ich das Format der „Zeichenkritik“ entwickelt und zeichnend erforscht, inwieweit es möglich ist, einen Theaterabend in ein einziges Bild zu kondensieren. Jeweils nach den Inszenierungen habe ich also Zeichnungen angefertigt, die nicht nur die Ästhetik aus Bühne, Kostüm und Atmosphäre aufgreifen, sondern auch die wichtigsten dramaturgischen Elemente reproduzieren und in eine simultan wahrnehmbare Bildform übertragen.
Im Fall der „Heiligen Johanna der Schlachthöfe“ habe ich diese Reproduktion verweigert.
Isabelle Menke, in der Rolle der Frau Luckerniddle, ist nicht nur am ganzen Körper geblackfaced, trägt eine Aufpolsterung auf ihrem Hinterteil, einen Plastik-Afro auf dem Kopf und spricht nur gebrochen deutsch – nein sie bewegt sich auch noch in merkwürdig eingeknickter Weise, die wohl andeuten soll, dass bis zu ihr die Zivilisation des aufrechten Ganges noch nicht vorgedrungen ist?
Frau Luckerniddle soll Afrika als Leidtragende des globalen Kapitalismus repräsentieren, wie Sebastian Baumgarten im Gespräch erklärt und durch die „überhöhte Darstellung“ bestehende Verhältnisse, die Repressionen und Unterdrückung produzieren, kritisieren. Doch in der ganzen Inszenierung entsteht keine Kritik am System, sichtbar sind Karikaturen von Stereotypen, die nicht als Kritik lesbar sind, sondern Rassismus reproduzieren. Die Darstellung von Frau Luckerniddle bleibt nicht die einzige rassistische an diesem Abend, und so muss leider gesagt werden, dass es sich nicht so verhält wie Matthias Dell vor Beginn des Theatertreffens schreibt, dass nämlich das bemerkenswerteste Ereignis des letzten Theaterjahres auf dem Festival nicht abgebildet wird: Die Blackfacing- Debatte. Sie wird durchaus zum Thema, aber leider tatsächlich nicht der Protest und die Diskussionen, die von Bühnenwatch im letzten Jahr angestoßen wurden. Die Jury des Theatertreffens hat mit Sebastian Baumgartens „Heiliger Johanna der Schlachthöfe“ eine Produktion eingeladen, in der die Existenz der Debatte vollständig ignoriert wird, und die alle rassistischen Theaterpraktiken so gut es auch nur eben geht auf die Bühne bringt. Das Theatertreffen-Blog hat mit einem Gespräch mit einerseits Sebastian Baumgarten und Andrea Schwieter, der Dramaturgin der Produktion und andererseits zwei Vertreter_innen von Bühnenwatch, Atif Hussein und Simone Dede Ayivi, eine Diskussion angeregt, die dringend notwendig war. Auf wiederkehrende Kritik, die auch beim Abschlussgespräch mit der Jury des Theatertreffens laut wurde (hier der Link zum Liveblog aus der Diskussion) reagierte nun der Intendant der Berliner Festspiele Thomas Oberender und hat für den 12. Juni 2013 ein Gespräch mit unter anderen Sebastian Baumgarten, Vertreter_innen von Bühnenwatch und von der TT- Jury angeboten. Noch ist der Termin auf der Homepage der Berliner Festspiele nicht zu finden, es wäre sehr schade, wenn daraus wieder keine öffentliche Diskussion wird
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